Ombudsgesetz

Gesetz betreffend die Beauftragte/den Beauftragten für das 
Beschwerdewesen (Ombudsfrau/Ombudsmann) des Kantons Basel-Stadt vom 13. März 1986 (SG 152.900) (Stand 1. April 2017).

Aufgrund des Initiativbegehrens betreffend Verbesserung des Schutzes der verfassungsmässigen Rechte der Bürger und zur Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle beschliesst der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt folgendes Gesetz:

I. Aufgaben und Organisation

§1

  • 1 Die oder der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsfrau / Ombudsmann) des Kantons Basel-Stadt wirkt im Rahmen der ihr oder ihm übertragenen Befugnisse darauf hin, den Schutz der verfassungs- und gesetzmässigen Rechte des Einzelnen zu verbessern sowie die parlamentarische Kontrolle über die Verwaltung zu verstärken.
  • 2 Sie/Er erfüllt ihre/seine Aufgaben, indem sie/er
    a) dem Einzelnen im Verkehr und namentlich bei der Wahrung seiner Rechte und Interessen gegenüber der Verwaltung hilft und bei Streitigkeiten vermittelt;
    b) die Verwaltung zu bürgerfreundlichem Verhalten veranlasst, aber auch vor ungerechtfertigten Vorwürfen schützt;
    c) dem Grossen Rat über ihre/seine Tätigkeit Bericht erstattet.

§2

  • 1 Die Beauftragte/der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsman) wird vom Grossen Rat aus den in kantonalen Angelegenheiten Stimmberechtigten mit dem absoluten Mehr seiner Mitglieder auf eine Amtsdauer von sechs Jahren gewählt. Die Wahlvorbereitungskommission bereitet die Wahl vor, berichtet darüber dem Grossen Rat und stellt ihm Antrag. Innert 4 Wochen nach Bekanntgabe des Kommissionsberichtes können 5 Ratsmitglieder dem Grossen Rat schriftlich einen eigenen Wahlvorschlag einreichen. Die Wahlvorbereitungskommission unterzieht die weiteren Wahlvorschläge dem Wahlvorbereitungsverfahren und erstattet darüber dem Grossen Rat einen Zusatzbericht. Erreicht kein Wahlvorschlag das erforderliche absolute Mehr der Mitglieder des Grossen Rates, so nimmt die Kommission ihre Wahlvorbereitungen wieder auf.
  • 2 Der Grosse Rat wählt in der Regel eine Frau und einen Mann, die sich in das 100 Stellenprozente umfassende Amt teilen. Bei einer Doppelbesetzung im Jobsharing einigen sich die beiden Personen nach der Wahl über die Verteilung des Gesamtpensums. Kein Pensum soll weniger als 40 Prozente umfassen. Kommt keine Einigung zustande, erfolgt die Verteilung zu gleichen Teilen. Scheidet eine der beiden Personen während der Amtsdauer aus, so sorgt der Grosse Rat für den Rest der Amtsdauer für die Wiederbesetzung
  • 3 Ihr/Sein Dienstverhältnis entspricht dem eines Präsidenten des Zivilgerichts, und ihr/sein Wohnsitz ist im Kanton Basel-Stadt.
  • 4 Sie/Er darf kein anderes öffentliches Amt, kein Verwaltungsratsmandat, keine leitende Funktion in einer politischen Partei und keine andere Erwerbstätigkeit ausüben. Der Grosse Rat kann Ausnahmen bewilligen. Versieht sie oder er ein Teilpensum der Ombudsstelle, so darf sie oder er mit Zustimmung der Wahlvorbereitungskommission eine andere Erwerbstätigkeit ausüben oder eine solche aufnehmen. Die Wahlvorbereitungskommission erteilt ihre Zustimmung nicht, wenn wichtige Gründe entgegenstehen.

§2bis

  • 1 Die Ombudsstelle ist organisatorisch dem Büro des Grossen Rates zugeordnet.
  • 2 Sie erstellt ihr Budget selbständig.

§3

  • 1 Das Personalrecht des Kantons ist auf die Beauftragte oder den Beauftragten für das Beschwerdewesen (Ombudsfrau / Ombudsmann) sowie das Personal der Ombudsstelle anwendbar, soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht.
  • 2 Die oder der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsfrau / Ombudsmann) ist für die Personalgeschäfte der weiteren Mitarbeitenden der Ombudsstelle sowie für personalrechtliche Massnahmen gegenüber ihren oder seinen Mitarbeitenden zuständig. Das Rechtsmittelverfahren richtet sich nach §§ 40 ff. Personalgesetz.
  • 3 Das Personal der Ombudsstelle folgt ausschliesslich den Weisungen der oder des Beauftragten für das Beschwerdewesen (Ombudsfrau / Ombudsmann).
  • 4 Das Büro des Grossen Rates entscheidet über die Einreihung des Personals nach Anhörung des Human Resources Basel-Stadt. Die Einreihung erfolgt nach den im Lohngesetz vom 18. Januar 1995 vorgesehenen Grundsätzen der Arbeitsbewertung.
  • 5 Verfügungen, welche Einreihungen betreffen sowie die Ablehnung, ein Verfahren betreffend Einreihung durchzuführen, können innert 30 Tagen von der Stelleninhaberin oder dem Stelleninhaber mit Einsprache beim Büro des Grossen Rates angefochten werden. Dieses entscheidet nach Anhörung der Begutachtungskommission.

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II. Wirkungsbereich

§4

  • 1 Der Wirkungsbereich der Beauftragten/des Beauftragten für das Beschwerdewesen (Ombudsman) umfasst alle kantonalen Behörden und Verwaltungen sowie die kantonalen Anstalten, Institutionen und Organisationen, soweit sie nicht privatwirtschaftlich tätig sind.
  • 2 Von ihrem/seinem Wirkungskreis sind jedoch ausgeschlossen:
    a) der Grosse Rat;
    b) andere Behörden für die Vorbereitung, den Erlass, die Änderung und die Genehmigung allgemein verbindlicher Anordnungen;
    c) die Behörden mit richterlicher Unabhängigkeit, soweit sie nicht im Bereich der Justizverwaltung tätig sind;
    d) andere Behörden für Rechtsmittelverfahren, ausser bei Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung und anderen Verletzungen von Amtspflichten;
    e) die öffentlich-rechtlichen Kirchen und die Israelitische Gemeinde;
    f) die Notare.
  • 3 Institutionen und Organisationen des privaten Rechts fallen nur dann in den Wirkungsbereich der Beauftragten/des Beauftragten für das Beschwerdewesen (Ombudsman), wenn ihnen hoheitliche Aufgaben übertragen wurden oder wenn sie überwiegend vom Kanton finanziert werden.

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III. Verfahren

§5

  • 1 Jedermann kann die Beauftragte/den Beauftragten für das Beschwerdewesen (Ombudsman) um Prüfung einer Angelegenheit ersuchen, in der sich eine Stelle nach seiner Auffassung eines Fehlverhaltens schuldig gemacht hat. Das Gesuch kann sich auf eine laufende oder eine abgeschlossene Angelegenheit beziehen; es hat jedoch keine aufschiebende Wirkung.
  • 2 Die Beauftragte/der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsman) kann auch auf Anregung einer Stelle in ihrem/seinem Wirkungsbereich oder aus eigener Initiative tätig werden.

§6

  • 1 Die Beauftragte/der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsman) entscheidet selbst, wie eingehend sie/er sich mit einer Angelegenheit befassen und ob sie/er eine Untersuchung durchführen will.
  • 2 Sie/Er lehnt oder bricht eine Untersuchung ab:
    a) wenn sie/er nicht zuständig ist;
    b) wenn der Gesuchsteller kein schutzwürdiges privates oder öffentliches Interesse geltend macht oder wenn er leichtfertig, schikanös oder gegen Treu und Glauben handelt;
    c) wenn ein anderer Weg zur Erledigung des Anliegens angemessen ist.

§7

  • 1 Eröffnet die Beauftragte/der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsman) eine Untersuchung, so klärt sie/er den Sachverhalt ab, informiert die betroffene Stelle und überprüft ihr Verhalten auf Rechtmässigkeit, Angemessenheit, Korrektheit und Billigkeit.
  • 2 Sie/er ist berechtigt:
    a) von den ihrem/seinem Wirkungsbereich unterstehenden Stellen jederzeit und ohne Rücksicht auf eine allfällige Geheimhaltungspflicht schriftliche oder mündliche Auskünfte einzuholen und von ihnen die Herausgabe aller für die Beurteilung des Geschäftes erforderlichen Akten zu verlangen;
    b) Auskunftspersonen zu befragen;
    c) Augenscheine und Besichtigungen durchzuführen;
    d) Sachverständige beizuziehen für Geschäfte, zu deren Beurteilung besondere Kenntnisse erforderlich sind.

§8

  • 1 Aufgrund des Untersuchungsergebnisses nimmt die Beauftragte/der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsman) zur Angelegenheit Stellung.
  • 2 Sie/Er kann
    a) dem Beschwerdeführer Rat für sein weiteres Verhalten erteilen;
    b) die Angelegenheit mit den Behörden besprechen;
    c) zuhanden der überprüften Stelle eine schriftliche Empfehlung abgeben. Diese stellt sie/er auch der vorgesetzten Verwaltungsstelle, dem Beschwerdeführer und, nach ihrem/seinem Ermessen, auch weiteren Beteiligten und interessierten Behörden zu.
  • 3 Hingegen ist sie/er nicht befugt, irgendwelche konkrete Anordnungen zu treffen, Entscheide aufzuheben oder abzuändern oder Weisungen zu erteilen.

§9

1 Die Inanspruchnahme der Beauftragten/des Beauftragten für das Beschwerdewesen (Ombudsman) ist unentgeltlich.

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IV. Geheimhaltungspflicht

§10

  • 1 Die Beauftragte/der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsman) ist gegenüber Dritten und gegenüber dem Beschwerdeführer in gleichem Mass zur Geheimhaltung verpflichtet wie die betreffende Behörden.
  • 2 Alle Mitglieder von Behörden und Mitarbeiter von Stellen, die dem Wirkungsbereich der Beauftragten/des Beauftragten für das Beschwerdewesen (Ombudsman) unterstehen, sind dieser/diesem gegenüber von ihrer Schweigepflicht entbunden.
  • 3 Zur Verweigerung der Auskunft und der Akteneinsicht sind berechtigt:
    a) wer sich selbst oder einen Angehörigen der Strafverfolgung aussetzen würde. Als Angehöriger gilt der Ehegatte und der geschiedene Ehegatte, die Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie, die Geschwister, Schwäger und Schwägerinnen, die Stiefeltern, Stiefkinder und Stiefgeschwister, die Adoptiveltern und Adoptivkinder sowie die Pflegeeltern und Pflegekinder;
    b) Geistliche, Advokaten, Notare, nach Obligationenrecht zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Hebammen, soweit ihnen Fragen gestellt werden, durch deren Beantwortung sie ein ihnen bei der Ausübung ihres Berufes anvertrautes oder zur Kenntnis gelangtes Geheimnis verletzen würden; ihre Hilfskräfte sowie Dritte, die sie zur Ausübung ihres Berufs beigezogen haben, sind ihnen gleichgestellt;
    c) Mitglieder von Behörden oder öffentliche Bedienstete, sofern sie über Geheimnisse auszusagen hätten, die ihnen in ihrer amtlichen Stellung anvertraut worden sind und deren Bewahrung ihnen durch besonderen Beschluss oder besondere Verfügung zur Pflicht gemacht worden ist. Der Regierungsrat kann die Verweigerung der Auskunft und der Akteneinsicht nur anordnen, sofern und solange die Sicherheit und das Wohl des Gemeinwesens es dringend verlangt.

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V. Berichterstattung

§11

  • 1 Die Beauftragte/der Beauftragte für das Beschwerdewesen (Ombudsman) erstattet dem Grossen Rat jährlich mindestens einmal eingehend Bericht über ihre/seine Tätigkeit. Sie/Er weist auf Mängel im geltenden Recht und in der Verwaltungstätigkeit hin und kann Reformvorschläge rechtsetzender, organisatorischer oder administrativer Art unterbreiten.
  • 2 Bei der Prüfung ihres/seines Berichtes dürfen von der Beauftragten/vom Beauftragten für das Beschwerdewesen (Ombudsman) keine Auskünfte über Tatsachen, die ihrer/seiner Schweigepflicht unterstehen, und keine Akten, in die sie/er Einsicht genommen hat, verlangt werden.

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VI. Schlussbestimmungen

§12

1 Mit dem Erlass dieses Gesetzes werden die nachstehenden kantonalen Gesetze geändert.

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